Ein Blick zurück: Produkte und Open Source Projekte

Mitte des Jahres ist die Firma terrestris 20 Jahre alt geworden. Wir wollen dies zum Anlass nehmen und wichtige Ereignisse und Projekte aus dem Dunkel der Vergangenheit hervorholen und diese nun – viele Jahre später – erneut ins Rampenlicht rücken. Im heutigen Beitrag zu dieser Reihe wollen wir auf die Entwicklung unserer aktiven Beteiligung an der Open Source Geo-Community über die letzten 20 Jahre blicken.

Ja, wie fängt man ein Business an, wenn von 2 Leuten einer frisch von der Uni kommt und der Andere hauptsächlich Erfahrung beim Vertrieb von proprietärer GIS-Software hat; sprich, wenn man kaum Erfahrung hat? In den ersten Wochen nach der Gründung erinnerte ich mich an einen Kartenserver, den mir mal ein früherer Kollege gezeigt hatte – den UMN MapServer. Nach etlichen Versuchen gelang es mir, die damals aktuelle Version – es muss irgendeine 3.x Version gewesen sein – auf einem Linux-PC zu kompilieren und ans Laufen zu bringen. Nach ersten Erfolgen bei der Einbindung eines UMN MapServer-Dienstes in einen einfachen HTML-Client, kam dann die Idee auf, einen Konverter zu entwickeln, der ArcView 3 Projekte in ein UMN Mapfile übersetzte – der Name war schnell gefunden: AveiN! (ArcVIew einfach ins Netz!).

Die erste Version der ArcView 3 Erweiterung war ein schier endloser Fragenkatalog, bei dem sich Dialog an Dialog reihte und wo dann schlussendlich tatsächlich ein funktionierendes Mapfile herausgeschrieben wurde. Wir waren stolz – und gleichzeitig stellte sich die Frage, wie man diese programmiertechnische Wundertat denn nun gewinnbringend vermarkten konnte. Nach einigen Überlegungen und Versuchen entstand schließlich die Idee, die Software als Open Source bereit zu stellen, aber das Handbuch für den Preis von 50 Euro zu verkaufen. Im Grunde kann man sagen, dass damit das Geschäftsmodell geboren wurde: Open Source entwickeln und unser Wissen verkaufen, auch wenn daraus dann später Dienstleistung wurde.

Aus ArcView 3 wurde ArcMap 8 und aus AveiN! wurde AmeiN! und für uns ergab sich die Gelegenheit, ein tolles Logo zu entwickeln: Den AmeiNsenbär.

Interessant ist, dass sich aus der intensiven Beschäftigung mit dem UMN MapServer dann relativ schnell tatsächlich die ersten Projekte einstellten, denn Anfang des Jahrtausends war die Nachfrage nach der Möglichkeit GIS-Karten ins Netz zu stellen hoch, das Angebot jedoch eher bescheiden. Fortan verdienten wir also unser Geld, indem wir unser Wissen in Form von Dienstleistung an Kunden verkauften – und das ist im Kern bis heute so geblieben – und AmeiN! und AveiN! gehörten dann relativ schnell der firmengeschichtlichen Vergangenheit an. Es folgten aber weitere Projekte, so wie etwa 2008 der Versuch, einen rein JavaScript basierten WebGIS-Client zu entwickeln: Das Projekt „Koyukuk“ (der Name stammt von einem Nebenfluss des Yukon River) wurde aber dann von der Entwicklung von OpenLayers eingeholt und ohne jemals produktiv genutzt zu werden eingestellt.

Um das Rad nicht ständig neu erfinden zu müssen, haben wir in den vergangenen 2 Jahrzehnten stets versucht, Gemeinsamkeiten aus Kundenprojekten softwaretechnisch herauszulösen, und so Synergien für alle zu schaffen. Dies ist auch der Hintergrund unseres Kern-Frameworks für WebGIS SHOGun. Nach initial ausschließlich interner Entwicklung wurde dies auch bereits vor über 10 Jahren bei GitHub veröffentlicht (diese Version ist mittlerweile veraltet (deprecated) und sollte nicht mehr verwendet werden). Viele Jahre später nutzen wir den zwischenzeitlich mehrmals runderneuten Stack immer noch und folgen dabei sowohl alten Prinzipien (Client-Server, zentrale Entitätenverwaltung, Java 7 Spring / Hibernate, REST …) und Ideen, können jedoch auch modernste Technologien (wie WebSockets, GraphQL, Keycloak …) nutzen und aktuelle Paradigmen (Kontainerisierung, Cloud Computing, …) bedienen. Logo und Motto von SHOGun

Ganz ähnlich ging es uns bei der Fragestellung, wie wir Geodaten kartographisch gestalten wollen, in den verschiedenen Kontexten in denen wir arbeiten. Zudem wünschten auch unsere Kunden oft eine Oberfläche, um selbst manuell die eigenen Daten ausgestalten zu können. Gemeinsam mit unserem Partner meggsimum entwickelten wir die Idee zu einem generischen Geodaten-Styler, der neben einer Benutzer-Oberfläche eben auch Unterschiede zwischen verschiedenen Darstellungsformaten harmonisieren will und eine Übersetzung von Format A nach B erlaubt. Der GeoStyler war geboren und ist nun 4 Jahre später ein erfolgreiches, vielseitig genutztes und beachtetes und von verschiedensten Institutionen und Einzelpersonen weiterentwickeltes OSGeo Community Projekt. Logo und Motto vom GeoStyler

Unter aktiver Beteiligung kann und sollte man verschiedene Tätigkeiten subsummieren: Partizipation an Diskussionen (meist in öffentlichen Foren), Testen von neuen Versionen bereits genutzter Software, Hilfestellungen und Dokumentation, Fehler melden und ggf. zu deren nachhaltigen Lösung beitragen, finanzielle Unterstützung, architektonische oder organisatorisch-steuernde Beteiligung, Veranstaltung von CodeSprints, Partizipation an Konferenzen und anderen Veranstaltungen und auch ein grundsätzliches Vertreten der Philosophie und der OSS-Komponenten. In den vergangenen 20 Jahren haben wir auf all diese Arten an den verschiedenen Geo-Software Komponenten mitgearbeitet. Aber dies konnten wir vor 20 Jahren noch nicht alles Wissen.

Heute, viele Jahre später, ist terrestris also in die Entwicklung von vielen internationalen Open Source Projekten involviert – OpenLayers, GeoStyler, deegree, GeoServer, Mr. Map, Masterportal oder MapFish Print – um nur einige zu nennen. Wir sind uns sicher, auch in Zukunft hier an bekannten und neu zu schaffenden Projekten vielfältig mitzuwirken: Open Source und Freie Software stecken uns in den Genen, wenn auch der Hauptentwickler von AveiN! heute eher keinen Code mehr anfasst…